6:08 ab Hauptbahnhof

Fährt man mitten in der Nacht mit dem Auto irgendwohin, dann ist es toll, wenn man einen Beifahrer hat, der einen durch Reden vom Einschlafen abhält. In einem Zugabteil hingegen braucht man das nicht. Der Zug wird vom Lokführer gefahren und der sitzt vorne in der Lok. Man kann also ohne Probleme im Abteil schlafen und Kraft sammeln für das anstehende Tagewerk. Wenn da nicht die Mitreisenden wären, die den Unterschied zwischen Zug und Auto nicht verstanden haben.

Hätte ich schon misstrauisch werden sollen, als die Frau meinte: "Mensch Klaus, Du hier, und wir im selben Abteil, toll. Aber entschuldige, wenn ich die nächste halbe Stunde nicht viel rede"? Ein anderer Mitreisender verließ fluchtartig das Abteil - der wußte was bevorstand! Die Frau und Klaus mußten ihr Privatleben und besonders ihr Berufsleben besprechen. "Heinz ist jetzt AHV und Silvia LPG und kennst Du Roswita?" Egal, ob wir sie kennen oder nicht, wir müssen erfahren, dass sie jetzt im dritten Stock sitzt mehr HBV macht oder war es XAU? Ich will es gar nicht wissen, ich will nur meine Ruhe haben! Döse vor mich hin, aber kaum eingeschlafen höre ich wieder was Klaus jetzt macht und Willi hat gesagt... Manchmal verlässt einer der beiden das Abteil. Aber keine Sorge, sie haben sich für alle Fälle Papiertüten mitgebracht, mit denen sie lustig drauflosrascheln. Und damit auf keinen Fall Ruhe einkehrt, rufen sie auch noch mit ihren Handys irgendwen an:  "Andy, Du kannst mich ab jetzt erreichen"

Im Halbschlaf komme ich auf schlimme Gedanken und denke an Miss Marple. Die Quasselstrippen wissen wahrscheinlich nicht, was für ein großes Glück sie hatten, dass man aus modernen Zügen niemand mehr aus dem Fenster werfen kann.

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Der Mörder der beiden

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Der Mörder der beiden Quasselstrippen kann vor allem von Glück reden, dass Miss Marple nicht mehr unter uns weilt, um den Mord im Berlin Express aufzuklären.